Abbildungen von Eiern, Käse, Brot und Milch zieren eine alte Holztafel direkt neben dem Eingang in den kleinen vollgeräumten Museumsraum. Über 100 Jahre diente die Ausstellungsfläche dem Familienunternehmen Samuel als Werkstatt. Die liebevoll mit dem Pinsel auf eine Holztafel aufgemalten Produkte sollten zum Stillleben arrangiert einst mögliche Kunden über das Sortiment des Geschäftes informieren. Denn nicht jeder hätte die Namen der geführten Produkte lesen können – als Hauptstadt eines Vielvölkerstaates herrschte in Wien eine rege Sprachenvielfalt und so bildete man die im Laden erhältlichen Produkte einfach an der Außenseite an Tafeln ab. Für die Umsetzung der Werbebotschaften wurden Schildermaler wie die Samuels beauftragt. Ein Gewerbe, das zur Zeit des Wiener Jugendstils seine Hochblüte erlebte. Knapp 300 Schildermaler soll es in jener Zeit in Wien gegeben haben – eine Hochburg der Schilder wie sonst kaum wo in Europa, weiß Josef Samuel, ehemaliger Schildermaler in vierter Generation. Seit 2003 führt Herr Samuel in seiner ehemaligen Werkstatt mittlerweile ein Museum. Als der Leiter des 135 Jahre bestehenden Familienunternehmens seinen Pinsel an den Nagel hing, hatten längst schnelle und oftmals eigengefertigte Massenproduktionen den Markt erobert.
Qualität in Gold und Perlmutt
Während es heutzutage für viele Menschen möglich ist, sich mit Hilfe des Computers seine eigenen Logos und Fassadenschriften zu basteln, so seien die Schriften früher individuell vom jeweiligen Meister per Hand entworfen und gefertigt worden, plaudert Herr Samuel „aus dem Malerkästchen“. Zum Einsatz kamen dabei selbst zusammengemischte Farben, deren Rezeptur sich von Meisterbetrieb zu Meisterbetrieb unterschied. Nicht selten wurden auch Blattgold oder teure Perlmutteinlagen, die besondere Lichteffekte erzeugten, in die Schilder eingearbeitet. Besonders Apotheker setzten laut Josef Samuel unter anderen auf teure, exquisite Fassadenschilder. Oftmals hinter Glas waren die kleinen Kunstwerke schon von Weitem lesbar und standen sichtbar für Qualität: Einmal an der Fassade angebracht, blieben sie viele Jahre dort hängen. Die Wertschätzung dem Produkt gegenüber sei hoch gewesen, berichtet Herr Samuel stolz. Viele der Schilder seien von den ehemaligen Ladenbesitzern nach dem Aus des Geschäftes wieder an den Betrieb zurückgegeben worden.
Heute bilden diese Schilder einen Teil der Sammlung. Bei dem ältesten Stück, das in dem kleinen Museum in der Mühlgasse zu besichtigen ist, handelt es sich um einen Entwurf des Urgroßvaters aus dessen Berufsschulzeit. Von solchen ersten Entwurfsskizzen über Schilder aus geschnitzten Holzbuchstaben, die für 3D-Effekte sorgten, bis hin zu den Werkzeugen, die für die Fertigung des jeweiligen Fassadenschmucks benötigt wurden, können sich die Besucher einen Überblick über das Handwerk verschaffen. Gerne beantwortet Herr Samuel auch die Fragen neugierig gewordener Passanten. Wehmütig spricht er von der Zeit, als man im Gräztl seine Betriebs-Nachbarn noch kannte. Für viele der mittlerweile aufgelassenen Geschäfte hätte er Schilder gefertigt.
Die Spuren dieses Fertigungsprozesses sind noch heute auf dem Fußboden der ehemaligen Museums-Werkstatt zu sehen. „Ein begehbares Gemälde mehrerer Generationen“ nennt Herr Samuel das bunte Geflecht aus Farbspritzern. Ein Stück (Familien)Geschichte im vierten Bezirk.
Schildermalermuseum
Mühlgasse 7
1040 Wien
Geöffnet gegen Voranmeldung: [email protected] oder 0043 664 936 79 43
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